Sonntag, Juni 15, 2025
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KI-Bewerbungen: Glänzend verpackt, wenig drin?

Zwei von drei Bewerbungen stammen aus der KI – eine Herausforderung für die Hotellerie und Gastronomie

Die aktuelle Studie „Application Quality“ der Stepstone Group liefert aufschlussreiche Einblicke in die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) im Bewerbungsprozess. Das zentrale Ergebnis: Rund 61 Prozent der Bewerberinnen und Bewerber nutzen mittlerweile KI-Tools wie ChatGPT, um ihre Bewerbungsunterlagen zu erstellen oder zu optimieren. Diese Entwicklung verändert den Arbeitsmarkt grundlegend, besonders in Branchen wie der Gastronomie und Hotellerie, in denen Persönlichkeitsmerkmale, Teamfähigkeit und echte Leidenschaft eine zentrale Rolle spielen.

Recruiter bemängeln mangelnde Authentizität und Individualität

Während Bewerberinnen und Bewerber vor allem auf fehlerfreie Formulierungen und professionelle Darstellung setzen, sehen viele Personalverantwortliche die Qualität solcher KI-unterstützten Bewerbungen kritisch. Laut der Studie empfinden 69 Prozent der Recruiter die Unterlagen als wenig individuell, 73 Prozent sprechen von mangelnder Authentizität, und 75 Prozent erkennen regelmäßig Übertreibungen oder nicht belegte Fähigkeiten. Die Folge: 80 Prozent der eingereichten Bewerbungen werden trotz korrekter Form eher als mittelmäßig oder schlecht eingestuft.

In der Gastronomie und Hotellerie, wo zwischenmenschliche Kompetenzen und kulturelle Passung enorm wichtig sind, stellen solche standardisierten Bewerbungen ein reales Problem dar. Wer mit KI eine Bewerbung schreibt, vermittelt meistens ein allgemeines Bild ohne Tiefgang und ohne greifbare Vorstellung der eigenen Stärken, Persönlichkeit oder Motivation.

Das fehlende Job-Matching: KI als Filter statt als Spiegel

Ein zentrales Problem ist das Job-Matching, also die Übereinstimmung von Bewerberprofil und konkreten Anforderungen der Stelle. In der Gastronomie und Hotellerie geht es um fachliche Fähigkeiten und ob jemand in ein bestehendes Team passt, mit Stresssituationen umgehen kann und Spaß am Umgang mit Menschen hat. Diese Aspekte lassen sich kaum mit Textbausteinen oder vorgefertigten Phrasen erfassen. Vor allem wenn sich der Bewerber von anderen Kandidaten abheben will.

KI-gestützte Bewerbungen liefern meist allgemeingültige Aussagen, die auf nahezu jede Stelle passen könnten, unabhängig davon, ob es sich um den Empfang in einem Luxushotel, eine Frühstücksassistenz in einer Pension oder einen Küchenposten in einem Landgasthof handelt. Für Recruiter entsteht auf diese Weise eine entpersönlichte Bewerberlage, in der individuelle Stärken und Schwächen der Kandidatinnen und Kandidaten nicht sichtbar werden. Die Folge: Entscheidungen basieren auf unsicheren Grundlagen, was die Fehlbesetzungsquote erhöht.

Bewerbungen ohne Substanz – eine Gefahr für die Qualität im Gastgewerbe

Die Studie bestätigt: KI hilft, sprachliche Fehler zu vermeiden und Struktur zu verbessern. Doch sie ersetzt nicht die persönliche Auseinandersetzung mit der Stelle oder das individuelle Herausarbeiten von Erfahrungen und Kompetenzen. Bewerbungen, die ausschließlich mit KI verfasst wurden, enthalten selten Hinweise auf konkrete berufliche Erlebnisse, Herausforderungen oder branchenspezifisches Wissen.

Gerade im Gastgewerbe sind Soft Skills wie Freundlichkeit, Flexibilität, Teamfähigkeit und Belastbarkeit entscheidend. Diese lassen sich nicht glaubhaft ausformulieren, wenn sie nicht auf echten Erfahrungen basieren. Bewerber, die sich beispielsweise auf eine Ausbildung zur Hotelfachkraft bewerben und in ihrer KI-generierten Bewerbung schreiben, sie „lieben den Umgang mit Menschen“, bleiben im Vagen. Und die Recruiter bleiben im Unklaren, ob diese Aussage ernst gemeint oder nur ein Textvorschlag der Software ist.

Ausbildungsplätze und Praktika – KI als Täuschung statt Hilfe?

Besonders problematisch ist die Entwicklung im Bereich der Ausbildungs- und Einstiegsstellen. Junge Menschen ohne langjährige Berufserfahrung greifen häufig auf KI zurück. Sei es aus Unsicherheit oder aus Mangel an Erfahrung. Die Studie belegt, dass viele dieser Bewerbungen oberflächlich bleiben. Dies führt in der Gastronomie und Hotellerie schnell zu Fehlbesetzungen, denn die tatsächliche Belastbarkeit, Servicebereitschaft oder das Verantwortungsbewusstsein zeigen sich nicht im KI-generierten Lebenslauf, sondern erst im Arbeitsalltag.

Recruiter und Ausbilder berichten zunehmend, dass Bewerber im Gespräch oder beim Probearbeiten deutlich von der professionellen Bewerbung abweichen. Dies erschwert den Auswahlprozess und sorgt für Enttäuschungen auf beiden Seiten. Der Aufwand für die Sichtung und das Filtern geeigneter Kandidatinnen und Kandidaten nimmt zu, was gerade kleinere Gastronomiebetriebe stark belastet.

Empfehlungen für Bewerber – KI gezielt einsetzen und Persönlichkeit zeigen

KI ist ein hilfreiches Werkzeug, ohne das persönliche Engagement zu ersetzen. Bewerberinnen und Bewerber sollten ihre Unterlagen nach der KI-Nutzung kritisch überarbeiten und mit eigenen Beispielen anreichern. Wer sich für eine Stelle in einem veganen Restaurant bewirbt, kann von eigenen Erfahrungen im Bereich Ernährung berichten, Lieblingsgerichte nennen oder erzählen, was ihn an der Philosophie des Betriebs begeistert. Solche persönlichen Bezüge sind durch KI nicht leistbar. Sie zeigen echtes Interesse und machen eine Bewerbung glaubwürdig.

Empfehlungen für Betriebe – Bewerbungsverfahren anpassen

Betriebe im Gastgewerbe sollten sich bewusst machen, dass der Anteil an KI-unterstützten Bewerbungen in Zukunft steigen wird. Um trotz der Standardisierung geeignete Bewerber zu finden, könnten Fragen nach konkreten Erfahrungen in der Stellenausschreibung eingeführt werden: „Was war Ihr schönstes Erlebnis bei einem Gästekontakt?“ oder „Wie reagieren Sie auf Kritik eines Gastes?“

Auch innovative Formate wie Videobewerbungen oder Probearbeitstage gewinnen an Bedeutung. So lassen sich Soft Skills und zwischenmenschliche Qualitäten unmittelbar überprüfen. Zudem sollten sich Unternehmen überlegen, wie sie Bewerbern Raum geben können, ihre Motivation außerhalb vorgegebener Textmuster darzustellen wie durch ein freies Motivationsschreiben oder ein Bewerbungsgespräch vor Ort.

Zwischen Effizienz und Menschlichkeit – KI als Werkzeug, nicht als Ersatz

Die Stepstone-Studie zeigt eindrucksvoll, dass der Einsatz von KI im Bewerbungsprozess längst Realität ist, mit positiven wie negativen Folgen. Für die Gastronomie und Hotellerie bedeutet das: KI darf unterstützen, aber niemals die Persönlichkeit des Bewerbers verdrängen. Denn hinter jedem Teller, jeder Hotelrezeption und jedem Frühstücksbuffet stehen Menschen. Ihre Fähigkeiten, nicht ihre Algorithmen, entscheiden über den Erfolg.

Für Bewerberinnen und Bewerber gilt: Wer sich authentisch zeigt, bleibt im Gedächtnis. Für Betriebe: Wer gezielt nach Persönlichkeit sucht, findet die passenden Teammitglieder trotz KI. Nur so gelingt das Job-Matching, auch in einer zunehmend digitalen Bewerbungswelt.

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