Nebensaison: Chancen und Herausforderungen für die Tourismus- und Hotelbranche
Die Nebensaison – auch bekannt als „Zwischensaison“ oder „Schultersaison“ – beschreibt jene Zeiten im Jahr, in denen die touristische Nachfrage deutlich unter dem Niveau der Hauptsaison liegt. Während im Sommer die Strände überfüllt sind und Hotelzimmer kaum zu bekommen, herrscht in der Nebensaison vielerorts Ruhe und Leere. Doch diese ruhigeren Monate sind keineswegs unattraktiv. Im Gegenteil: Sie bieten enormes Potenzial für die Tourismus- und Hotelbranche – vorausgesetzt, man erkennt die Möglichkeiten und handelt strategisch.
Was versteht man unter Nebensaison?
Die Nebensaison ist nicht einheitlich definiert, denn sie hängt stark von der geografischen Lage, dem Klima und der Zielgruppe ab. In klassischen Sommerzielen wie Italien oder Spanien gilt der Zeitraum von November bis März als Nebensaison, während in Wintersportregionen wie den Alpen der Frühling und Herbst als buchungsschwache Zeiträume zählen. Auch in deutschen Ferienregionen wie an der Nord- und Ostsee oder im Schwarzwald spricht man außerhalb der Schulferien und Feiertage von Nebensaison. Kennzeichnend für diese Phasen sind geringere Gästezahlen, niedrigere Preise für Unterkünfte und Dienstleistungen sowie ein eingeschränktes Angebot an Aktivitäten, Öffnungszeiten und Events.
Warum ist die Nebensaison für viele Betriebe schwierig?
Die Ursachen für das geringere Gästeaufkommen sind vielfältig. Häufig fehlen die klassischen Reiseanlässe wie Sommerferien, Sonnengarantie oder Großveranstaltungen. Zudem ist das Reiseverhalten stark von Wetter, Schulkalendern und saisonalen Interessen geprägt. Familien mit schulpflichtigen Kindern sind in ihrer Urlaubsplanung auf Ferienzeiten angewiesen und gehören daher kaum zur Zielgruppe der Nebensaison. Auch das oft unbeständige Wetter in Deutschland schreckt viele potenzielle Urlauber ab – trotz günstiger Preise und attraktiver Angebote.
Für die Betriebe bedeutet die Nebensaison eine große wirtschaftliche Herausforderung. Die Auslastung sinkt, die Einnahmen gehen zurück, während viele Fixkosten konstant bleiben. Der Preisdruck steigt, da viele Hotels gezwungen sind, Rabatte zu geben oder Last-Minute-Angebote zu schnüren, um ihre Zimmer zu füllen. Manche Häuser schließen sogar zeitweise, weil der Betrieb in dieser Zeit nicht rentabel ist.
Welche Chancen bietet die Nebensaison?
Trotz der wirtschaftlichen Risiken bietet die Nebensaison erhebliche Chancen, die mit gezieltem Marketing und innovativen Angeboten genutzt werden können. Gerade weil der Wettbewerb um Gäste geringer ist, lässt sich mit durchdachten Konzepten eine stabile Nebensaison-Strategie entwickeln.
Eine der größten Chancen liegt in der gezielten Ansprache flexibler Zielgruppen. Seniorinnen und Senioren, Paare ohne Kinder, Alleinreisende oder auch Digitalnomaden sind nicht an Ferienzeiten gebunden und schätzen Ruhe und Erholung. Wer diesen Gruppen maßgeschneiderte Angebote wie Langzeitaufenthalte, Wellnesspakete oder Co-Working-Spaces anbietet, kann die Auslastung spürbar verbessern.
Auch der Fokus auf Erholung und Entschleunigung ist ein starkes Verkaufsargument. Viele Menschen suchen in der Nebensaison gezielt nach Ruhe und Abstand vom Alltag. Wellnesshotels, Spa-Resorts und Retreat-Angebote sind in dieser Zeit besonders gefragt. Entspannungsangebote, Achtsamkeitswochen oder Fastenkuren lassen sich in der Nebensaison sehr gut platzieren und vermarkten.
Ein weiterer vielversprechender Ansatz ist die Kulinarik. Regionale Spezialitäten, saisonale Küche, Kochkurse oder kleine Genussfestivals können Gästen einen attraktiven Reiseanlass bieten. Der Trend zum „Genussurlaub“ eröffnet in der Nebensaison neue Möglichkeiten, Gäste mit hochwertigen kulinarischen Erlebnissen zu begeistern.
Auch das Thema Nachhaltigkeit spielt in der Nebensaison eine wichtige Rolle. Reisen außerhalb der Hochsaison entlasten die Infrastruktur, sind umweltfreundlicher und tragen zur Entzerrung der Besuchermassen bei. Hoteliers, die diese Argumente in ihre Kommunikation integrieren, sprechen gezielt umweltbewusste Gäste an – ein wachsendes Segment im Reisemarkt.
Zusätzliche Potenziale entstehen durch Kooperationen zwischen Hotels, Tourismusverbänden, Freizeitanbietern und lokalen Erzeugern. Gemeinsame Marketingaktionen, attraktive Pauschalangebote oder digitale Buchungsplattformen für die Nebensaison schaffen Synergien und Sichtbarkeit. Besonders soziale Medien bieten ideale Möglichkeiten, um spontane und flexible Reisende mit authentischen Geschichten zu inspirieren.
Erfolgreiche Beispiele aus der Praxis
In verschiedenen Regionen zeigt sich, wie die Nebensaison erfolgreich genutzt werden kann. Im Bayerischen Wald werben Hotels im Herbst mit sogenannten „Goldenen Wochen“. Gäste genießen geführte Wanderungen, regionale Küche und wohltuende Wellnessangebote – und das bei entspannter Atmosphäre fernab des Trubels. An der Nordseeküste bieten viele Unterkünfte zur kälteren Jahreszeit Arrangements rund um Teezeremonien, Wattwanderungen oder Fischfang – authentische Erlebnisse, die zum entschleunigten Reisen einladen. Auch Städtereisen sind in der Nebensaison beliebt. Städte wie Hamburg, Leipzig oder Nürnberg punkten mit kulturellen Highlights, freien Hotelkapazitäten und einem angenehmen Besuchertempo, das in der Hochsaison oft verloren geht.
Die Nebensaison als wirtschaftliche Ressource
Die Nebensaison ist keine verlorene Zeit – sie ist eine wirtschaftliche Ressource, die es zu entdecken gilt. Mit kreativen Konzepten, zielgruppengerechter Ansprache und einem Gespür für Trends wie Nachhaltigkeit, Genuss und Entschleunigung lässt sich die Nachfrage auch in den ruhigeren Monaten steigern. Für die Tourismus- und Hotelbranche bedeutet das: Mut zur Spezialisierung, Offenheit für Kooperationen und Investitionen in neue Angebote. Wer sich strategisch auf die Nebensaison einstellt, kann langfristig unabhängiger von saisonalen Schwankungen wirtschaften – und gestärkt in die nächste Hochsaison starten.