Mehrwertsteuer im Gastgewerbe: Preiskampf und Wandel
Sechs Monate nach der Wiedereinführung der 19% Mehrwertsteuer (MwSt) im Gastgewerbe ist es an der Zeit, eine Bilanz zu ziehen und die Auswirkungen auf die Branche sowie das Verhalten von Wirten und Gästen zu analysieren. Die Rückkehr zu einem höheren Steuersatz nach einer Periode der Ermäßigung auf 7% hat Herausforderungen und neue Trends mit sich gebracht. Diese Analyse basiert auf Umfragen, Branchenberichten und Expertengesprächen.
Auswirkungen auf Wirte
Preisanpassungen und Kalkulation
Ein bedeutender Aspekt für die Gastronomen war die Notwendigkeit, ihre Preise anzupassen, um die erhöhten Kosten zu kompensieren. Viele Gastbetriebe haben die Mehrkosten direkt an die Kunden weitergegeben, was zu Preiserhöhungen führte. Laut einer Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA) haben ca. 70% der Wirte ihre Preise um durchschnittlich 10-15% erhöht, um die 19% MwSt. abzudecken. Aus Angst, Gäste zu verlieren, haben rund 15-20% der Wirte die Mehrkosten nicht auf die Speisen und Getränke abgewälzt
Kostenmanagement und Effizienzsteigerung
Einige Gastronomen haben versucht, die Kostensteigerungen durch interne Maßnahmen abzufedern. Dies umfasste eine effizientere Lagerhaltung, Reduktion von Lebensmittelverschwendung und eine striktere Kontrolle der Betriebskosten. Einige haben in Technologien investiert, um den Betrieb effizienter zu gestalten, wie zum Beispiel Bestell- und Bezahlsysteme, die den Arbeitsaufwand und die Fehlerquote reduzieren.
Personalmanagement
Ein weiterer Effekt war die Überprüfung der Personalkosten im Gastgewerbe. In vielen Fällen haben Wirte versucht, durch flexiblere Arbeitszeitmodelle und den verstärkten Einsatz von Teilzeitkräften Personalkosten zu senken. Statt Vollzeitangestellte, wird vermehrt Aushilfspersonal für umsatzstärkere Tageszeiten eingestellt. In extremen Fällen kam es zu Entlassungen, was im Gastgewerbe kritisch gesehen wird, da gut ausgebildetes Personal schwer zu finden und zu halten ist.
Auswirkungen auf Gäste
Preisbewusstsein und Änderung des Ausgabeverhaltens
Die Preiserhöhungen haben sich direkt auf das Ausgabeverhalten der Gäste ausgewirkt. Viele Verbraucher sind preissensibler geworden und vergleichen vermehrt die Preise unterschiedlicher Gastronomiebetriebe. Manche Gäste essen seltener auswärts, wählen bewusster aus, bestellen billigere Gerichte oder sparen beim Trinkgeld. Vor allem in ländlichen Gebieten beobachten die Wirte eine steigende Preissensibilität ihrer Gäste. Stammgäste besuchen „ihr“ Lokal seltener. Oft wird auf Vor- und Nachspeise verzichtet. Besonders bei Familien und Studenten ist eine deutliche Zurückhaltung des Ausgabeverhaltens zu beobachten.
Steigende Qualitätsansprüche
Mit den höheren Preisen sind die Erwartungen der Gäste gestiegen. Die Kunden erwarten ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis und sind weniger bereit, für durchschnittliche Qualität mehr zu bezahlen. Dies hat die Gastronomen unter Druck gesetzt, die Qualität ihrer Speisen und Dienstleistungen zu verbessern, um die Kundenzufriedenheit sicherzustellen.
Neue Trends im Gastgewerbe
Regionalität und Nachhaltigkeit
Ein positiver Trend, der sich aus der Notwendigkeit zur Differenzierung ergeben hat, ist der verstärkte Fokus auf Regionalität und Nachhaltigkeit. Immer mehr Wirte setzen auf regionale Lieferanten und ökologische Produkte, um sich von der Konkurrenz abzuheben und den gestiegenen Ansprüchen der Gäste gerecht zu werden. Dies hat das Bewusstsein der Gäste für nachhaltigen Konsum geschärft.
Digitalisierungsstrategien
Die Digitalisierung spielt eine zunehmend wichtige Rolle im Gastgewerbe. Viele Betriebe haben in digitale Bestell- und Bezahlsysteme investiert, um den Service zu optimieren und die Kundenzufriedenheit zu steigern. Online-Reservierungen und digitale Menükarten sind mittlerweile weit verbreitet und werden von den Gästen positiv aufgenommen.
Erlebnisgastronomie
Ein weiterer Trend ist die Entwicklung hin zur Erlebnisgastronomie. Um die Gäste trotz höherer Preise anzuziehen, bieten viele Restaurants und Cafés spezielle Events, Themenabende oder interaktive Erlebnisse an. Dies reicht von Kochkursen und Weinproben bis hin zu kulturellen Veranstaltungen und Live-Musik. Solche Angebote schaffen einen Mehrwert und rechtfertigen die höheren Preise.
Bilanz nach sechs Monaten 19% MWSt.: Gastrobranche ist teurer, digitaler, selektiver und nachhaltiger geworden
Die Wiedereinführung der 19% MwSt im Gastgewerbe hat sowohl die Wirte und Gäste vor Herausforderungen gestellt und neue Chancen eröffnet. Gastronomen haben in den meisten Fällen Wege gefunden, die höheren Kosten aufzufangen und gleichzeitig die Qualität und Attraktivität ihres Angebots zu steigern. Gäste reagieren preissensibler, haben höhere Qualitätsansprüche entwickelt, wobei weniger kaufkraftstarke Gäste nach günstigeren Restaurants oder anderen Verpflegungsmöglichkeiten wie Fast-Food ausweichen.
Die Trends hin zu Regionalität, Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Erlebnisgastronomie zeigen, dass die Branche in der Lage ist, sich anzupassen und weiterzuentwickeln. Langfristig trägt diese Anpassungsfähigkeit bei, das Gastgewerbe widerstandsfähiger und innovativer zu machen, was sowohl den Wirten und den Gästen zugutekommt.