Wie befristete Arbeitsverträge den Arbeitsmarkt in Deutschland prägen
Laut der aktuellen Analyse der Hans-Böckler-Stiftung sind knapp 38 Prozent aller Neuanstellungen in Deutschland befristet. Besonders bei jungen Beschäftigten ist der Anteil befristeter Verträge hoch: 48 Prozent der unter 35-Jährigen arbeitet in einem zeitlich begrenzten Arbeitsverhältnis. Diese Entwicklung ist in fast allen Städten und Landkreisen zu beobachten und betrifft insbesondere Branchen wie die Gastronomie und Hotellerie. Aber warum setzen Arbeitgeber auf befristete Arbeitsverträge? Welche Vorteile und Nachteile ergeben sich für beide Seiten, und wie haben sich die Zahlen in den letzten fünf Jahren entwickelt?
Gründe für die hohe Anzahl befristeter Verträge
In Deutschland hat die befristete Beschäftigung mehrere Ursachen, die mit der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und den branchenspezifischen Anforderungen zusammenhängen. Ein zentraler Grund ist die Möglichkeit für Arbeitgeber, auf schwankende Auftragslagen und wirtschaftliche Unsicherheiten flexibel zu reagieren. Dies ist in der Gastronomie und Hotellerie wichtig, wo saisonale Schwankungen, Großveranstaltungen oder Tourismusbooms die Nachfrage nach Arbeitskräften kurzfristig ansteigen lassen.
Darüber hinaus bietet das Arbeitsrecht den Arbeitgebern die Möglichkeit, befristete Verträge ohne sachlichen Grund bis zu zweimal innerhalb von zwei Jahren zu verlängern. Unternehmen – speziell in der Gastronomie und Hotellerie – nutzen diese Regelung, um die Eignung von Arbeitnehmern zu testen, bevor sie ihnen eine unbefristete Anstellung anbieten. Dies senkt das Risiko von Fehlbesetzungen und spart Kosten.
Ein weiterer Grund ist der zunehmende Wettbewerb um Fachkräfte in bestimmten Branchen. Gerade in der Hotellerie und Gastronomie sind qualifizierte Mitarbeiter rar. Arbeitgeber setzen auf befristete Verträge, um die Flexibilität im Personalmanagement zu erhöhen und Stellen schneller wieder besetzen zu können.
Vorteile für Arbeitgeber und Arbeitnehmer
Vorteile für Arbeitgeber
- Flexibilität: Arbeitgeber können auf konjunkturelle Schwankungen und Auftragslage schnell reagieren.
- Geringeres Risiko: Befristete Arbeitsverträge bieten die Möglichkeit, neue Mitarbeiter vor einer unbefristeten Einstellung gründlich zu prüfen.
- Kostenersparnis: Befristete Verträge sind günstiger, da Arbeitgeber weniger langfristige Verpflichtungen eingehen.
Vorteile für Arbeitnehmer
- Einstiegsmöglichkeiten: Gerade für Berufseinsteiger bieten befristete Verträge die Chance, Fuß in einem Unternehmen zu fassen.
- Erfahrungsgewinn: Befristete Beschäftigung erlaubt es jungen Fachkräften, unterschiedliche Unternehmen und Arbeitsumfelder kennenzulernen.
- Verhandlungsbasis: Einige Arbeitnehmer nutzen befristete Verträge bewusst, um in Verhandlungen mit anderen Arbeitgebern bessere Konditionen zu erzielen.
Nachteile für Arbeitgeber und Arbeitnehmer
Nachteile für Arbeitgeber
- Fluktuation: Befristete Verträge führen zu hoher Personalfluktuation, was die Kontinuität im Team und die Unternehmenskultur beeinträchtigt.
- Kosten: Die ständige Suche nach neuem Personal und das Onboarding verursachen langfristig höhere Kosten.
- Eingeschränkte Motivation: Arbeitnehmer mit befristeten Verträgen könnten weniger Motivation zeigen, sich langfristig zu engagieren.
Nachteile für Arbeitnehmer
- Unsicherheit: Befristete Verträge bedeuten für Arbeitnehmer eine größere Unsicherheit, in Bezug auf die finanzielle Planung und Arbeitsplatzsicherheit.
- Eingeschränkte soziale Absicherung: Viele Sozialleistungen wie Arbeitslosenversicherung oder Rente bauen auf langfristigen Arbeitsverhältnissen auf, was befristeten Beschäftigten zum Nachteil gereicht.
- Weniger Aufstiegsmöglichkeiten: In befristeten Positionen sind Aufstiegschancen und die langfristige berufliche Entwicklung begrenzt.
Aktuelle Zahlen in der Gastronomie und Hotellerie
Besonders die Gastronomie und Hotellerie zeichnen sich durch einen hohen Anteil an befristeten Arbeitsverträgen aus. Laut einer Analyse des Statistischen Bundesamts liegt der Anteil befristeter Verträge in diesen Branchen bei rund 44 Prozent. Insbesondere Saisonarbeiter und Aushilfen werden befristet eingestellt. In der Hotellerie beträgt der Anteil etwa 47 Prozent, was auf den stark saisonalen Charakter der Branche zurückzuführen ist. Auch Großereignisse wie Messen, Festivals oder Feiertage führen zu kurzfristigem Personalbedarf, der durch befristete Verträge abgedeckt wird.
Entwicklung in den letzten fünf Jahren
Die Zahl der befristeten Arbeitsverträge hat in den letzten fünf Jahren in Deutschland eine leicht steigende Tendenz gezeigt. Besonders stark war der Anstieg in den Jahren 2020 und 2021, als die Unsicherheit durch die COVID-19-Pandemie viele Arbeitgeber veranlasste, auf befristete Anstellungsverhältnisse zu setzen. Seit 2022 hat sich die Lage stabilisiert. In der Gastronomie und Hotellerie sind die Zahlen weiterhin hoch, da die Pandemie den Trend zur kurzfristigen Anstellung verstärkt hat.
Ein Blick auf die Statistiken zeigt, dass 2019 etwa 32 Prozent der Neuanstellungen befristet waren. Diese Zahl stieg 2020 auf knapp 36 Prozent und erreichte 2021 mit 39 Prozent ihren vorläufigen Höhepunkt. Seitdem stagnieren die Zahlen auf hohem Niveau. Im Jahr 2023 waren es laut der Hans-Böckler-Stiftung etwa 38 Prozent, was zeigt, dass befristete Verträge ein fester Bestandteil des deutschen Arbeitsmarktes geblieben sind.
Flexibilität, Unsicherheit, konjunkturelle Entwicklung, …: Anzahl befristete Arbeitsverträge – speziell in Gastronomie und Hotellerie wird steigen
Befristete Arbeitsverträge sind in Deutschland weit verbreitet, besonders in der Gastronomie und Hotellerie. Sie bieten Arbeitgebern Flexibilität, bringen jedoch Nachteile wie hohe Fluktuation und fehlende Mitarbeitermotivation mit sich. Für Arbeitnehmer bedeuten befristete Verträge Unsicherheit und eingeschränkte Aufstiegschancen, aber auch Einstiegsmöglichkeiten in die Branche oder den Wunschbetrieb sowie die Möglichkeit, Erfahrungen zu sammeln. Die Entwicklung der letzten fünf Jahre zeigt, dass die befristete Beschäftigung in vielen Branchen auch in Zukunft eine bedeutende Rolle spielen wird, obwohl langfristige Lösungen für mehr Arbeitsplatzsicherheit gefordert werden.
Zusatzinformationen der Hans Böckler Stiftung zum Thema Befristete Arbeitsverträge:
- Eric Seils, Helge Emmler: Befristete Einstellungen – In der Stagnation.
WSI Policy Brief Nr. 85, Oktober 2024 sind hier downloadbar - Regionalen Daten in einer interaktiven Karte und als Datenblätter sind hier erhältlich.