Personalnot in Hotels und Küchen – was wirklich fehlt
Der Fachkräftemangel wird in Deutschland zumeist als strukturelles Problem dargestellt – doch aktuelle Studien, wie das Arbeitsmarktbarometer der Hans-Böckler-Stiftung, werfen ein anderes Licht auf die Ursachen. Denn viele Engpässe im Personalbereich wie der Fachkräftemangel, welcher sich vor allem in der Gastronomie und Hotellerie ausgeprägt widerspiegelt, resultieren nicht nur aus demografischen Entwicklungen oder mangelnden Bewerbungen. Vielmehr zeigen sich hausgemachte Gründe: der Personalmangel entsteht in vielen Fällen durch unzureichende Investitionen in Aus- und Weiterbildung, schlechte Arbeitsbedingungen und geringe Entlohnung. Besonders die Hotellerie und Gastronomie leiden unter den Folgen, teilweise selbstverschuldet.
Personalmangel trotz Stellenabbau
Laut der Studie „Personalknappheit“ des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) berichten 92 Prozent der Arbeitnehmervertretungen von Engpässen in ihren Betrieben. Noch gravierender: In jedem fünften betroffenen Unternehmen werden gleichzeitig Stellen abgebaut. Das widersprüchliche Verhalten lässt vermuten, dass manche Arbeitgeber nicht willens sind, vorhandene Arbeitskräfte durch Qualifizierung auf neue Aufgaben vorzubereiten.
Umschulungen, Weiterbildungen oder flexible Einsatzkonzepte bleiben ungenutzt. Damit wird ein Teufelskreis in Gang gesetzt, der sich durch die gesamte Branche zieht. Dieser ist in der Hotellerie und Gastronomie besonders ausgeprägt, wo hohe Fluktuation und saisonale Schwankungen den Alltag bestimmen.
Schlechte Arbeitsbedingungen treiben Fachkräfte weg
Die WSI-Erhebung unter mehr als 7000 Erwerbstätigen und Arbeitssuchenden zeigt, dass der Fachkräftemangel in vielen Fällen mit schlechten Rahmenbedingungen, bzw. Arbeitsbedingungen einhergehen. 65 Prozent der Personalräte und 53 Prozent der Betriebsräte nennen unattraktive Arbeitskonditionen als Hauptgrund. Schlechte Bezahlung, starre Arbeitszeiten und geringe Planbarkeit des Berufslebens machen viele Stellen für potenzielle Bewerber unattraktiv. Besonders in der Gastronomie, wo Abend- und Wochenendarbeit zur Normalität gehören, stoßen Arbeitgeber bei jungen Mitarbeitern und erfahrenem Personal zunehmend an Grenzen.
Qualifizierungsstau in Hotels und Restaurants
Weiterbildungen sind ein zentrales Element zur Bekämpfung von Personalmangel. Dennoch investieren viele Betriebe zu wenig in die Weiterentwicklung ihrer Mitarbeitenden. Gerade im Gastgewerbe wird Qualifikation häufig als Kostenfaktor statt als Chance gesehen. Laut Studie bieten nur 73 Prozent der Unternehmen, die aktiv gegen den Fachkräftemangel vorgehen, mehr Weiterbildung an – der Rest verzichtet darauf oder setzt auf kurzfristige Lösungen. Dabei wäre gerade in der Hotellerie eine strukturierte Personalentwicklung essenziell: Digitale Tools, Nachhaltigkeitsanforderungen und veränderte Gästebedürfnisse verlangen neue Kompetenzen.
Der Preis der Überlastung
Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Mangels an Fachpersonal sind deutlich spürbar. In 93 Prozent der betroffenen Betriebe müssen die Beschäftigten Mehrarbeit leisten. 67 Prozent der Personalräte berichten, dass betriebliche Pläne nicht eingehalten werden können. Die Qualität leidet – das sagen 27 Prozent der befragten Erwerbstätigen. Auch das Betriebsklima verschlechtert sich nachweislich. Die Folge: Die Belastung wächst, die Krankenstände steigen, Kündigungen nehmen zu. Ein hausgemachter Teufelskreis, der die Personaldecke weiter ausdünnt.
Problem in der Gastronomie und der Hotellerie – hausgemacht oder systemisch?
Kaum ein anderer Sektor leidet so stark unter Fachkräftemangel wie die Gastronomie. Die Branche war schon vor der Pandemie von hoher Fluktuation betroffen. Seit den Corona-Jahren haben sich die Probleme weiter verschärft. Viele frühere Mitarbeiter sind nicht zurückgekehrt – teils wegen der unsicheren Lage, teils wegen besserer Alternativen in anderen Branchen. Doch statt strukturelle Konsequenzen zu ziehen, setzen viele Betriebe aufgrund des Kostendrucks auf alte Modelle: niedrige Einstiegslöhne, kaum Aufstiegsmöglichkeiten und zu wenig Weiterbildung.
Wie Betriebe umsteuern können
Immerhin: Laut Studie reagieren inzwischen 30 Prozent der Betriebe aktiv auf die Personalnot, weitere 11 Prozent planen Maßnahmen. Am effektivsten sind Investitionen in Weiterbildung, flexiblere Arbeitszeitmodelle, Homeoffice (soweit möglich) sowie die aktive Förderung von Ausbildung. In der Hotellerie zeigen sich erste, positive Beispiele: Häuser, die auf interne Karrierewege, Mentorenprogramme oder Jobsharing setzen, berichten von höherer Mitarbeiterbindung und besserer Leistung. Flexible Schichtmodelle, digitale Dienstplanung und familienfreundlichere Rahmenbedingungen sind weitere Hebel zur Attraktivitätssteigerung.
Gute Arbeit wirkt langfristig
Wer nachhaltige Lösungen für den Fachkräftemangel sucht, muss das Thema ganzheitlich angehen. Löhne und Arbeitszeiten sind zentrale Faktoren. Nicht zu unterschätzen ist der Faktor Unternehmenskultur. In einem Klima der Wertschätzung, Partizipation und Entwicklung bleiben Mitarbeitende länger und bringen sich stärker ein. In der Hotellerie sind flachere Hierarchien, Feedbackkultur, Beteiligung an Innovationsprozessen gefragt. Die Ansprache neuer Zielgruppen wie Quereinsteiger, Eltern oder ältere Arbeitskräfte – gelingt nur mit einem neuen Verständnis von Arbeit.
Zukunft gestalten statt verwalten
Die Untersuchung von Böckler.de zeigt klar: Personalmangel ist kein Naturgesetz, sondern häufig das Ergebnis kurzsichtiger Personalpolitik. Wer Stellen kürzt, statt in Menschen zu investieren, riskiert Produktivitätseinbußen, Frust und Qualitätsverluste. Vor allem in der Gastronomie und Hotellerie braucht es einen Mentalitätswechsel – weg vom kurzfristigen Denken, hin zu einer zukunftsfähigen Strategie. Dazu gehört eine engere Zusammenarbeit mit Berufsschulen, Kammern und Weiterbildungsträgern. Denn nur wer bildet, kann binden.
Stopp dem Personalmangel – Arbeitsbedingungen und Lohnniveau im Blickpunkt
Der Fachkräftemangel ist in weiten Teilen hausgemacht. Betriebe, die nicht rechtzeitig auf sich verändernde Rahmenbedingungen reagieren, zahlen am Ende einen hohen Preis. Investitionen in Aus- und Weiterbildung, faire Löhne und bessere Arbeitsbedingungen sind keine Luxusmaßnahmen – sie sind Voraussetzung, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Gerade für Hotellerie und Gastronomie bedeutet das: Umdenken ist überfällig.