Donnerstag, Juli 17, 2025
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Lohnkosten explodieren – kommt der Gastro-Preisschock?

Mindestlohn steigt bis 2027 auf 14,60 Euro – Folgen für Wirtschaft, Preise und Gastgewerbe

Die Mindestlohnkommission hat entschieden: Zum 1. Januar 2026 wird der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland auf 13,90 Euro pro Stunde steigen. Weitere zwölf Monate später, Anfang 2027, ist eine weitere Anhebung der Lohnkosten um 70 Cent auf 14,60 Euro geplant. Diese Anpassungen betreffen über sechs Millionen Beschäftigte, viele davon im Gastgewerbe. Besonders für die Gastronomie und Hotellerie, deren Geschäftsmodelle auf arbeitsintensiven Dienstleistungen beruhen, werfen die geplanten Anhebungen wichtige Fragen auf: Wie stark steigen die Kosten? Wie reagieren Preise und Nachfrage? Und welche Handlungsoptionen haben Betriebe und Gäste?

Mindestlohn: Ein Balanceakt zwischen Gerechtigkeit und Wettbewerbsfähigkeit

Die schrittweise Erhöhung des Mindestlohns verfolgt das Ziel, Kaufkraft zu sichern, Einkommensarmut zu bekämpfen und die Attraktivität gering bezahlter Berufe zu steigern. Damit greift die Mindestlohnkommission aktuelle Herausforderungen wie Inflation, Fachkräftemangel und ungleiche Lohnentwicklungen auf. Kritiker warnen vor einer Überlastung kleiner und mittelständischer Betriebe, die nicht in der Lage seien, stark steigende Lohnkosten aus Produktivitätsgewinnen zu finanzieren.

Gesamtwirtschaftlich ist mit moderaten Auswirkungen zu rechnen: Die gestiegene Kaufkraft der Beschäftigten regt – im optimalen Fall – den privaten Konsum an und stützt die Binnenkonjunktur. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass höhere Personalkosten auf die Preise durchschlagen und die Inflationsrate langfristig beeinflussen. Vor allem in arbeitsintensiven Branchen wie der Gastronomie, der Pflege oder im Einzelhandel ist der Druck hoch.

Lohnkosten: Wenn Personalkosten zur zentralen Stellschraube werden

Gerade im Gastgewerbe spielt der Lohnkostenanteil eine zentrale Rolle in der betriebswirtschaftlichen Kalkulation. Während in der Industrie der Anteil der Personalkosten am Gesamtumsatz durchschnittlich unter 25 Prozent liegt, bewegt sich dieser Wert in der Gastronomie zwischen 35 und 45 Prozent. In der Hotellerie liegt der Anteil mindestens 40 Prozent über dem gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt.

Die geplanten Mindestlohnerhöhungen bedeuten für Betriebe, die große Teile ihres Personals zum Mindestlohn beschäftigen, erhebliche Mehrbelastungen. Eine Anhebung von 12,41 Euro (aktueller Mindestlohn im Jahr 2025) auf 14,60 Euro in zwei Jahren entspricht einer Steigerung von über 17 Prozent. Diese Dynamik betrifft nicht nur Einstiegsgehälter. Auch höher qualifizierte Mitarbeiter fordern eine angemessene Distanz zum Mindestlohn, sodass Lohnstrukturen insgesamt unter Druck geraten.

Zudem zeigen viele Betriebe, dass die Spielräume zur kurzfristigen Kostenoptimierung nahezu ausgeschöpft sind. Maßnahmen wie Digitalisierung, Prozessautomatisierung, Schichtplanungssoftware oder schlankere Speisekarten sind längst eingeführt. Die Optimierung der Arbeitsabläufe, Effizienzsteigerung und strategische Kostensenkungen sind unabdingbar, doch kurzfristig kaum mehr erzielbar. Viele dieser Anpassungen sind erst mittelfristig oder langfristig umsetzbar, da sie Investitionen, Umstellungen ein kulturelles Umdenken erfordern.

Gastronomie: Preisweitergabe der Lohnkosten wird zur Herausforderung

Für viele gastronomische Betriebe ist die Möglichkeit, steigende Lohnkosten über Preiserhöhungen weiterzugeben, begrenzt. Eine moderate Anpassung ist möglich: Doch die Zahlungsbereitschaft der Gäste ist nicht unbegrenzt. In den vergangenen Jahren stiegen die Preise für Speisen und Getränke im Gastgewerbe bereits deutlich durch steigende Energiepreise und die Einführung der Mehrwegpflicht. Mit jeder weiteren Erhöhung wächst das Risiko, dass Gäste weniger häufig ausgehen oder auf günstigere Angebote ausweichen.

Die Kombination aus hohen Personalkosten, gestiegenen Wareneinsatzpreisen und energetischen Mehrbelastungen führt in vielen Gastronomiebetrieben zu einer angespannten Marge. Künftig wird es noch wichtiger, betriebliche Abläufe zu optimieren, Speisekarten strategisch zu verschlanken und Personal gezielt einzusetzen. Digitale Tools wie KI-gestützte Schichtplanung oder Self-Ordering-Systeme bieten Entlastung. Sie stoßen in der traditionellen Gastronomie an kulturelle und strukturelle Grenzen.

Ein zusätzlicher Kostenfaktor, der in der Diskussion übersehen wird, ist die zunehmende Forderung nach einer 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich. Was auf dem Papier wie eine Win-Win-Situation wirkt, bedeutet für Betriebe eine deutliche Erhöhung der Lohnnebenkosten und des Koordinationsaufwands. Insbesondere in der Gastronomie, wo Personal ohnehin knapp ist, ist die Umsetzbarkeit einer verkürzten Arbeitswoche fraglich. Die Folge wäre, entweder mehr Teilzeitkräfte bei gleichbleibendem Servicelevel einzustellen oder die Öffnungszeiten zu reduzieren, was Umsatzeinbußen nach sich zieht.

Hotellerie: Zwischen Standardisierung und Serviceversprechen

Auch die Hotellerie steht durch den steigenden Mindestlohn vor erheblichen Kostensteigerungen, in personalintensiven Bereichen wie Housekeeping, Rezeption und Frühstücksservice. Gerade in der Mittelklassehotellerie, in der der Preisdruck groß ist, drohen steigende Löhne die Rentabilität zu gefährden. In höherklassigen Häusern können Lohnerhöhungen durch ein höheres Preisniveau besser kompensiert werden. Doch auch hier stellt sich die Frage, in welchem Rahmen Preissteigerungen von der Kundschaft akzeptiert werden.

Viele Häuser setzen vermehrt auf Automatisierung und Prozessoptimierung. Digitale Check-ins, Reinigungsservices auf Abruf oder automatisierte Revenue-Management-Systeme helfen, den Lohnkostenanteil stabil zu halten. Gleichzeitig dürfen Betriebe ihr Alleinstellungsmerkmal – persönlichen Service und Gastfreundschaft – nicht verlieren. Ein Spagat, der Fingerspitzengefühl erfordert.

Lohnkosten-Preisanpassungen: In welchem Rahmen sind sie möglich – und tragbar?

Laut Branchenverbänden liegt die durchschnittliche Preiselastizität in Gastronomie und Hotellerie bei ca. 0,8. Das bedeutet: Eine Preiserhöhung von 10 Prozent entspricht einem Rückgang der Nachfrage um 8 Prozent. In der Praxis hängt die tatsächliche Auswirkung stark von Zielgruppe, Lage und Angebotsstruktur ab. In touristischen Regionen oder bei Eventgastronomie sind Gäste preistoleranter. Im Alltagsgeschäft, wie beim Business-Lunch oder im Familienrestaurant, wird die Sensibilität deutlich höher sein.

Um den steigenden Mindestlohn aufzufangen, wird eine schrittweise Preisanpassung in Kombination mit Angebotsoptimierung, Produktivitätssteigerung und einer Reduktion der Öffnungszeiten notwendig sein. Auch Upselling-Strategien, saisonale Angebote oder neue Zielgruppen wie digitale Nomaden helfen, zusätzliche Einnahmen zu generieren.

Substitutionsmöglichkeiten: Gäste werden wählerischer

Die Auswirkungen auf das Verhalten der Gäste sind nicht zu unterschätzen. Bei steigenden Preisen wächst der Anreiz, auf alternative Angebote auszuweichen. Wer bisher regelmäßig im Restaurant gegessen hat, kocht künftig wieder selbst oder bestellt beim Lieferservice. In der Hotellerie gewinnt die private Ferienunterkunft als günstige Alternative an Attraktivität. Auch das einfache Weglassen von Hotelleistungen, wie der Verzicht auf das Frühstück führt zu Umsatzeinbußen.

Für das Gastgewerbe bedeutet das: Gäste müssen künftig mehr denn je über das USP ihres Betriebes überzeugt werden. Das gelingt über den Preis sowie über die Faktoren Qualität, Atmosphäre, Regionalität und Individualität. Wer es schafft, ein glaubwürdiges Erlebnis zu bieten und sich klar vom Durchschnitt abzugrenzen, wird im höheren Preissegment bestehen.

Die Zukunft liegt in Qualität, Digitalisierung und Differenzierung

Die Erhöhung des Mindestlohns bis 2027 ist politisch motiviert und stellt die Betriebe der Gastronomie und Hotellerie vor enorme Herausforderungen. Der steigende Lohnkostenanteil erfordert strukturelle Anpassungen, intelligente Investitionen und eine konsequente Ausrichtung auf Qualität und Effizienz. Maßnahmen wie die 4-Tage-Woche oder weitere gesetzliche Vorgaben verursachen zusätzliche Kosten, während kurzfristige Einsparpotenziale ausgeschöpft sind. Die Branche steht damit an einem Punkt, an dem Veränderung notwendig und unausweichlich ist.

Betriebe, die jetzt handeln, ihre Prozesse hinterfragen und gezielt in Mitarbeiterbindung sowie Digitalisierung investieren, bleiben trotz höherer Löhne erfolgreich. Letztlich ist der Wandel eine Chance für mehr Attraktivität der Branche, bessere Arbeitsbedingungen und ein neues Selbstverständnis des Gastgewerbes als moderner Dienstleistungssektor.

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Presseerklärung zur gesetzlichen Mindestlohnanpassung durch das Bundesamt für Soziales.

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