Auf der Spur des guten Geschmacks – Ein Interview mit Foodscout Mira
In der Welt der Gastronomie gibt es Menschen, die stets einen Schritt voraus sind. Sie riechen Trends, bevor sie in Metropolen auftauchen, und entdecken Produkte und Talente, bevor sie die breite Bühne betreten. Hoga.careers hat mit Mira R., Foodscout und Trendanalystin im deutschsprachigen Raum, über ihren Alltag, ihre spannendsten Entdeckungen und das, was einen guten Foodscout ausmacht, gesprochen. Ein Gespräch für alle Gourmets, die wissen wollen, wie kulinarische Trends entstehen.
Wie beginnt die Karriere als Foodscout?
Mira: Mein Weg in die Welt des Foodscoutings war nicht geplant. Ich habe ursprünglich Gastronomiemanagement studiert und lange in der Produktentwicklung bei einem Bio-Großhändler gearbeitet. Erst über die Arbeit an der Schnittstelle zwischen Produzenten und Küchenchefs habe ich gemerkt, dass ich ein Gespür für kulinarische Innovationen habe. 2017 wurde ich von einem großen Handelsunternehmen für ein internes Trendforschungsteam rekrutiert. Seitdem reise ich regelmäßig durch Europa und Asien auf der Suche nach den nächsten spannenden Konzepten, Zutaten oder Menschen, die die Gastronomie verändern.
Was genau machen Sie als Foodscout – wie sieht Ihr Alltag aus?
Mira: Die Aufgaben sind vielseitig. Ich teste Produkte, führe Gespräche mit Köchinnen und Köchen, besuche Wochenmärkte, Farmen, Start-ups und kleine Manufakturen. Ein typischer Tag kann ein 15-stündiger Besuch in Bangkok mit Streetfood-Tour, Interviews und Marktanalysen sein. Oder eine Verkostung auf einem Demeter-Hof im Allgäu. Ich berichte regelmäßig an meine Auftraggeber: Gastronomiebetriebe, Hotelketten, Handelsplattformen, manchmal auch Medien. Die wichtigste Frage dabei ist: Was passt zur Zielgruppe und was begeistert die Gourmets von morgen?
Was war eine Ihrer neuesten Entdeckungen?
Mira: Ganz aktuell begeistert mich ein Projekt aus dem Tessin: „Luma Swiss Fungi“ produziert Speisepilze mit Fermentationstechnologie. Nicht industriell, sondern mit dem Charme einer Alchemieküche. Der Geschmack ist unglaublich komplex: umami, leicht nussig, mit feiner Säure. Ich glaube, das wird die nächste Generation veganer Feinkostprodukte stark beeinflussen. Ebenfalls spannend finde ich ein Streetfood-Projekt aus Berlin namens „Tandoor Rebels“, das traditionelle indische Tandoori-Technik mit regionalem Gemüse und deutschen Rezepturen kombiniert. Ihre gerösteten Mairüben mit Safranjoghurt sind ein Gedicht.
Gibt es Foodscout-Entdeckungen, die später international durchstarten?
Mira: Auf jeden Fall. Ich erinnere mich an ein kleines Familienunternehmen in Südtirol, das 2019 mit fermentiertem Birkenwasser experimentierte. Heute liefert es an mehrere europäische Luxus-Spa-Hotels. Auch die erste Ramen-Bar in Zürich, die ich 2015 portraitierte, wurde später mit einem „POP des Jahres“-Award von GaultMillau ausgezeichnet. Ein anderer Fall war ein Gewürzhändler aus Salzburg, der mit handverlesenen Wildkräutern aus den Alpen eine Bio-Linie kreierte. Inzwischen vertreibt er weltweit an die Spitzengastronomie.
Was macht Ihrer Meinung nach einen guten Foodscout aus?
Mira: Die wichtigste Eigenschaft ist Neugier, und zwar eine unvoreingenommene. Ein guter Foodscout muss offen sein für Kulturen, Menschen, Geschichten und neue Technologien. Gleichzeitig ist eine gute sensorische Schulung gefragt: Ich kann Aromen erkennen, strukturieren und bewerten. Das hilft enorm. Auch analytisches Denken ist wichtig: Welche Trends entstehen aus einer gesellschaftlichen Bewegung? Wie verändern sich Geschmacksvorlieben? Und welche Konzepte sind nachhaltig tragfähig?
Was vielen unterschätzen: Gut zuhören ist das A und O. Viele kulinarische Innovationen entstehen aus einem Bedürfnis, das nicht laut ausgesprochen wird. Gourmets äußern sich oft über Zwischentöne, über Unzufriedenheit mit Bestehendem. Ein guter Scout erkennt darin ein Signal für Wandel.
Welche Rolle spielen Foodscouts in der Gastronomie der Zukunft?
Mira: Sie sind Brückenbauer zwischen Produzenten, Gastronomie und Konsumenten. Foodscouts liefern frühzeitig Erkenntnisse, mit denen Betriebe ihre Speisekarten, Konzepte und Einkaufspolitik zukunftsfit machen. Gerade im Zeitalter von Nachhaltigkeit, pflanzenbasierter Ernährung und kultureller Vielfalt braucht es Menschen, die das große Ganze sehen und die kleinen Details erkennen.
Außerdem helfen Foodscouts, Geschichten zu erzählen. Ein Apfel aus einer alten Sorte erzählt mehr als eine Kalorie. Ein fermentierter Rettich aus einer Stadtgärtnerei steht für ein neues Verhältnis zur Regionalität. Diese Botschaften transportieren Mehrwert. Für Gäste und Betriebe gleichermaßen.
Welches ist die Schattenseite ihres Berufs?
Mira: Ja, natürlich. Der Job klingt romantischer, als er ist. Die Reisen sind anstrengend, in meinem Beruf gibt es kaum Routinen mit Erholungsphasen, Jetlag oder gesundheitliche Herausforderungen sind an der Tagesordnung. Gerade wenn man ständig Neues isst. Und: Nicht jede Entdeckung wird ein Erfolg. Manchmal steckt viel Arbeit in einem Produkt, das sich später nicht durchsetzt.
Aber ich würde es gegen keinen anderen Job eintauschen. Es ist ein großes Privileg, mit vielen leidenschaftlichen Menschen zu arbeiten, von der Bio-Bäuerin bis zum Drei-Sterne-Koch. Und es ist schön zu wissen: Ich trage bei, dass unsere Gastronomie vielfältiger, mutiger und nachhaltiger wird.
Was raten Sie jungen Menschen, die Foodscout werden wollen?
Mira: Lest viel, esst viel, sprecht mit Produzentinnen, reist mit offenen Augen. Die klassische Ausbildung gibt es nicht. Viele kommen über den Journalismus, die Küche oder das Produktmarketing. Wichtig ist, sich eine sensorische Basis zu erarbeiten: Weinkurse, Kaffeeverkostungen, Käse-Akademien. Alles, was den Geschmackssinn schärft.
Und: Bleibt unabhängig im Denken. Nur weil etwas gerade hip ist, muss es nicht gut sein. Ein guter Foodscout erkennt den Unterschied zwischen Hype und echter Qualität. Das ist es, was Gourmets überzeugt.
Der unermüdliche Blick fürs Neue
Das Interview mit Mira zeigt, dass Foodscouts in der heutigen Gastronomie eine Schlüsselrolle einnehmen. Sie sind Pioniere, Netzwerker und Trendstifter in einem und liefern Gourmets genau das, was sie suchen: Authentizität, Innovation und Geschmack. Ihre Arbeit hilft dabei, kulinarische Erlebnisse auf ein neues Niveau zu heben, Trends anstoßen und eine nachhaltige, vielfältige Zukunft der Gastronomie mitzugestalten.